Wer bin ich?
Marleen arbeitet seit 3 Jahren am Konzerthaus Dortmund als Community Musician. Sie hat Musik auf Lehramt studiert und in Hannover an der Staatsoper in der Musiktheatervermittlung gearbeitet. An der Staatsoper leitete Marleen viele Projekte, wie z.B. den Theaterclub, in dem über einen längeren Zeitraum mit Jugendlichen ein Stück gemeinsam entwickelt wurde. Außerdem wirkte sie in einem inklusiven Projekt mit, an dem Menschen mit Behinderung, Studierende aus der Musikpädagogik und ein Klangkünstler aus Berlin beteiligt waren. In dem Projekt wurde eine gemeinsame Klanginflation gebaut. Marleen hat darüber hinaus viele partizipative Projekte mitgestaltet und mit verschiedenen Zielgruppen gearbeitet. Als Kern ihrer Arbeit empfindet sie die Verbindung zu den Teilnehmenden und das kontinuierliche, nachhaltige Arbeiten auf Augenhöhe mit den verschiedenen Zielgruppen. Ziel sollte es ihrer Meinung nach sein, Räume zu schaffen, in denen sich jeder und jede willkommen fühlt und gemeinsame Prozesse auf Augenhöhe initiiert werden. Daher rührt Marleens Interesse an der Arbeit am Konzerthaus Dortmund in der Community Music.
Was tue ich?
Marleen erklärt, dass sie in ihrer Arbeit Musik mit allen Menschen machen. Dieser Gedanke ist Grundlage für die Arbeit. Ein jeder Mensch hat ein Recht auf kulturelle Teilhabe und das Community Music Team ist an einer klassischen Musikinstitution, einer großen Institution und möchten, dass alle in der Stadt von dieser auf unterschiedliche Art und Weise profitieren. Sie arbeiten mit Jung und Alt, von den jüngsten Teilnehmenden, die ein paar Monate alt sind bis hin zum ältesten Teilnehmer, der 96 Jahre alt ist. Mit all diesen Menschen kommen sie zusammen und schaffen Gemeinschaft. Sie machen miteinander Musik oder trinken Kaffee, sodass sich Menschen weniger allein und mehr „connected“ fühlen, wie z.B. über Musik, die sie als Musiker*innen nutzen. Marleen und das Team des Konzerthaus Dortmund gehen in die Nachbarschaft, um sich mit dieser zu verbinden. Das stellt eine Ergänzung zu den klassischen Community Music Workshops dar. Es ist ebenfalls Teil von Marleens Arbeit, Leute kennenzulernen, sich auszutauschen, auf der Straße oder am Kiosk mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Sie bauen Beziehungen und Kontakte auf, um in der Nachbarschaft stärker wahrgenommen zu werden. Den Bezug herzustellen, dass die Menschen wissen: „Ah okay, das Konzerthaus ist da und es hat vielleicht nichts mit mir zu tun, aber da arbeiten nette Menschen und die kommen irgendwann mal wieder vorbei und wir trinken Kaffee zusammen.“ Wenn das die Wirkung ist, dann ist da schon total viel gewonnen, meint Marleen. Es hat in dem Sinne gar nichts mit dem klassischen Workshop zu tun, sondern damit, präsent zu sein und sich zu „connecten“. Das ganze Community Music Programm im Konzerthaus Dortmund wird von drei Community Musicians im Team durchgeführt. Es gibt zusätzlich einen Programmmanager. Die drei Community Musicians teilen sich das existierende Workshop Programm untereinander auf. Jede*r kann alles, aber es kristallisiert sich heraus, wann wer Zeit hat. Das Community Orchester haben sie immer zu dritt gestaltet. Marleen erklärt, dass sie sehr viel Co-Leading im Team machen, weil es die Ideen von allen braucht. Sie setzen sich regelmäßig im Team zusammen, spielen die Sachen noch mal durch und passen sie an oder entwickeln sie weiter. Dass alles zusammengeführt wird, dass Partituren da sind, Leute da sind und Kostüme da sind, ist Team Effort. Alles im Team zu machen ist für Marleen von großer Bedeutung, weil sie andere Perspektiven für sehr wichtig erachtet. Bei größeren Projekten braucht es die Kreativität von allen Leuten und das Team lebt die ganze Zeit vor, dass es ein Miteinander ist. Es geht darum, dass es nicht nur eine Person gibt, die alles anführt und alles bestimmt, sondern dass es Prozesse sind. Deswegen finden sie es auch im Team wichtig, dass alles auf Augenhöhe passiert und sie das Angebot miteinander gestalten. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und Verantwortungsbereiche teilweise aufgeteilt. Das Team kommt immer wieder zusammen, da eine enge Teamkultur existiert, in der keine*r alleine gelassen wird. Sie treten in Diskussionen und sammeln Ideen, weil alles um Community Music und Community oft komplex ist. Es braucht viele Perspektiven, findet Marleen, um die Arbeit gut zu machen. Deswegen ist es so wichtig, dass sie sich regelmäßig austauschen und die Verantwortung teilen.
Was ist mir wichtig in meiner Arbeit in der Community Music? Was will ich durch die Arbeit bewegen?
Marleen ist der Ansicht, dass es sehr viele einzelne Bubbles und auch viele Menschen gibt, die allein sind oder wenig Bezugsgruppen haben. Mit ihrer Arbeit möchten sie Räume schaffen, in denen Menschen zusammenkommen und Gemeinschaft erleben können. Das ist etwas sehr Rares, findet Marleen. Sie möchte Momente schaffen, in denen es nicht auf Leistung ankommt, in denen auch nicht primär über politische Haltungen diskutiert wird, sondern ein Raum geschaffen wird, wo bestimmte Werte gelebt werden und auch vorgegeben sind. Diesen Raum schaffen sie und in dem Raum wird gemeinsam Musik gemacht. Man rückt näher zusammen und verlässt die Blase, in der man sich oft befindet. Marleen glaubt, dass der Prozess niemals aufhört, weil es immer noch besser und nachhaltiger geht. In manchen Projekten wurde das vielleicht schon erreicht, sodass sie sich denkt: „Wow, das ist schon eine Community, die da gewachsen ist“, wie es z.B. bei ihrem Senioren-Singen ist. Dann ist die Konsequenz aber nicht, dass man das abhakt und der Prozess da aufhört. Das Projekt muss weitergehen und deswegen kann nicht gesagt werden, dass ein Endziel erreicht wurde. Laut Marleen befindet man sich mit jedem Projekt auf einem Weg und muss diesen immer wieder schärfen. „Welche Zielgruppen sprechen wir gerade an? Wo sind wir besonders präsent? Was läuft gut? Was wird nicht so gut angenommen? Was könnten wir ändern?“ Die Zeit und der Ort werden ebenfalls betrachtet, genau wie das Ziel zu sagen: „Ich möchte möglichst viele Menschen ansprechen und vor allem Menschen ansprechen, die weniger finanzielle Ressourcen haben.“ Diejenigen, die sowieso ins Konzerthaus kommen, können auch gerne dazukommen und sind willkommen. Sie müssen aber auch in die Richtung gehen, wo nicht so viele Ressourcen vorhanden sind, um Inklusion und Diversität sicherzustellen.
Was steht momentan an?
Marleen und das Team haben an einem großen Saison Abschlussprojekt geschrieben, einer Community Sinfonie mit verschiedenen Gruppen. Es gab einen großen Auftaktworkshop mit Pete Moser und dem Aurora Orchestra, die ihnen Inspiration gebracht haben über die Winterreise. Davon ausgehend haben sie Ideen entwickelt und vor allem viel eigene Musik geschrieben über Improvisation und Ausprobieren. Schritt für Schritt wurde ein ganzes Stück zusammengebaut mit Chor und Community Orchester. Das große Projekt lief unter Co-Creation. Nichts davon war vorgegeben, sondern alles ist wirklich Musik, die neu geschrieben wurde in Kontexten der Community Music Arbeit in Dortmund. Marleen findet es sehr schön, dass alle zusammenkommen und sie das Projekt draußen aufführen konnten. Alles war durch das Motiv des Origami Kranichs inspiriert, weil die Tradition besagt, dass wenn man Tausend Kraniche gefaltet hat, man einen Wunsch für Frieden frei hat. Angelehnt an diese Symbole wurden auch die Kostüme damit gestaltet, es wurde gespielt und gesungen. Das Ziel war es, alle zu involvieren und Leute, die die Songs kannten, weil sie diese in anderen Workshops gesungen haben, aber jetzt nicht Teil des Chors waren, trotzdem mitsingen konnten. Es war keine offizielle Aufführung mit Bühne und Publikum, sondern ein Picknick, bei dem alle willkommen waren, etwas zu essen mitbrachten und gemeinsam dieses Stück performten. Sie führten die Community Sinfonie in diesem Rahmen draußen auf einer Wiese auf. Die Aufführung hat am 29.6. stattgefunden und das Projekt startete zu Ostern mit wöchentlichen Treffen. Es wurde mit verschiedenen Leuten gearbeitet. Zum einen mit dem Community Orchestra, jeden Donnerstagabend. Zum anderen mit intensiven Workshops an drei bis vier Samstagen, wo alle Teilnehmenden zusammengekommen sind. Es wurde zusammen Mittag gegessen und verschiedene Sachen wurden ausprobiert. Die Lieder, die dabei entstanden sind, wurden in ihre anderen Workshops mitgenommen, sodass sie im Senioren-Singen und im Community Chor gesunden wurden. Aus diesen beiden Chören konnten die Leute, die Lust auf das Projekthatten, zur letzten Samstagsprobe dazukommen.
Zukunftsmusik – Was kommt noch?
Da am Konzerthaus Dortmund neue Stellen ausgeschrieben sind, wodurch Veränderungen im Team bevorstehen, sind für den Herbst erstmal keine größeren Projekte geplant. Es wird zunächst angestrebt, sich in den neuen Kombinationen im Team zusammenzufinden und sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln. Die Entwicklung des Programms hängt von den jeweiligen Stärken und Interessensgebieten ab. Marleen denkt, dass durch den Teamzuwachs neue Projekte mit anderen Communities hinzukommen könnten. Ab der nächsten Saison ist eine Zusammenarbeit mit dem Mahler Chamber Orchestra und dem Bereich Community Music des Konzerthauses geplant. Dabei entstehen u.a. durch die Zusammenarbeit mit Orchestermusiker*innen neue Ressourcen und es soll ein gemeinsames Angebot entwickelt werden. Denkbar sind ein Familienangebot, einzelne Projekte oder mehrere Workshoptage. Marleen verdeutlicht, dass lange Vorausplanung in ihrem Berufsfeld schwierig sein kann. Wenn bspw. ein Jahr im Voraus ein Projekt geplant wurde, könnte es durchaus sein, dass es in dem Jahr darauf keine Relevanz mehr hat. Daher planen sie zwar ihre Projekte und Angebote, aber verändern diese teilweise fünfmal. Gerade diese Anpassungsfähigkeit wird in der Arbeit gebraucht, um sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmenden sowie dem Zeitgeist zu orientieren.
Photocredit: Holger Jacoby
Links:
https://www.konzerthaus-dortmund.de/de/mitmachen/fuer-kids-und-familien/creative-family-orchestra
https://kulturmachtschule.lkjnds.de/otoene/programm.html
https://www.konzerthaus-dortmund.de/de/mitmachen/fuer-senioren/sing-sing-sing
https://www.konzerthaus-dortmund.de/de/mitmachen/fuer-kids-und-familien/community-music-in-der-stadtteilschule
https://www.konzerthaus-dortmund.de/de/mitmachen/fuer-schulen-und-kitas/community-music-on-tour