Wer bin ich?
Andreas Sichau ist Musiktherapeut und arbeitet seit 2002 am städtischen Klinikum Braunschweig in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Seit 2019 arbeitet er auf der Kinderkrebsstation der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Braunschweig. Andreas Sichau ist außerdem Lehrer an der städtischen Musikschule in Braunschweig. Er unterrichtet Gitarre, musikalische Früherziehung und leitet ein Projekt in Unterkünften für Geflüchtete an drei Standorten in Braunschweig an.
Andreas Sichau arbeitet an einer privaten Musikschule in einem Zusammenschluss von selbstständig arbeitenden Musiklehrer*innen und an einer städtischen Musikschule. Er ist in der musikalischen Früherziehung in zwei Kindergärten sowie in Flüchtlingsunterkünften tätig und gibt Gitarrenunterricht an drei Grundschulen im Rahmen des Projekts „Wir machen die Musik“.
Was tue ich?
Andreas Sichau ist klar, dass Musiktherapie auch ohne musikalische Vorkenntnisse funktioniert und er nutzt viel freie Improvisation. Für ihn stellt die Freiwilligkeit in der Community Music den entscheidenden Unterschied zwischen Musiktherapie und Community Music dar. In der Musiktherapie ist Musik Teil des Behandlungsplans, sodass die Motivation der Klient*innen zunächst hergestellt werden muss.
Andreas Sichau bietet zudem Community Music Workshops in Unterkünften für Geflüchtete in Braunschweig an. Dabei ist die Altersstruktur oft bunt gemischt und es gibt viel Fluktuation unter den Teilnehmenden. Die Arbeit wird durch Spendengelder und städtische Förderung finanziert. Die Förderung muss von der Musikschule, bei der Andreas Sichau angestellt ist, jedes Jahr neu beantragt werden. Die Workshop sind aber als längerfristiges Angebot angelegt.
Was ist mir wichtig in meiner Arbeit in der Community Music? Was will ich durch die Arbeit bewegen?
Andreas Sichau beschreibt, dass in der Stunde die Stimmung immer erstmal mit Warmups lockerer wird, sodass ein kreativer Prozess entstehen kann und die Teilnehmenden ihre Rolle finden können. Die Teilnehmenden spielen z.B. zuerst einen sicheren Rhythmus, trauen sich noch nicht, davon abzuweichen und werden im Laufe der Stunde viel freier und spielen abwechslungsreicher, während die Gruppe aber trotzdem noch zusammenspielt. Dadurch können die Teilnehmenden in eine Entspannung im Gruppensetting finden. Andreas Sichau möchte mit seiner Arbeit „die Kreativität ins Fließen bringen“. Für ihn ist es sehr schön zu sehen wenn Menschen nach der Stunde sagen: „Das hätte ich gar nicht erwartet, dass wir so zusammen klingen können“.
Was steht momentan an?
Ein Projekt, an dem Andreas Sichau arbeitet heißt „Wir machen die Musik“. Es handelt sich dabei um ein Musikalisierungsprojekt an Schulen in Stadtteilen, wo die Eltern nicht so viel Geld haben, dass sie ihr Kind auf die Musikschule schicken können. Kinder können ein Jahr lang für fünf Euro im Monat (an einer Schule auch komplett kostenlos) ein Instrument lernen. Andreas Sichau unterrichtet sechs bis acht Schüler*innen einmal pro Woche für 45 Minuten in Gruppenunterricht. Das Projekt ist finanziert vom Land Niedersachsen und einer Stiftung in Braunschweig.
Im Laufe dieses Jahres wächst die Gruppe zusammen und hat Spaß miteinander. Dieser Prozess (der Spaß an der Musik) steht im Vordergrund und nicht primär die Vermittlung von Techniken oder Noten lesen. Das Wichtigste ist, dass die Schüler*innen mit einem guten Gefühl aus der Gruppe kommen. Das Angebot ist niederschwellig mit der Option, mehr zu lernen. Alle Schüler*innen können mitmachen, ob sie zuhause üben oder nicht.
Das Projekt in Braunschweiger Unterkünften für Geflüchtete, in dem Andreas Sichau wirkt, ist ein Musikangebot der Musikschule in Braunschweig. Die am Projekt Teilnehmenden haben einen relativ sicheren Aufenthaltsstatus, sind also meist im Prozess der Prüfung auf ein Bleiberecht. Viele Kinder, die teilnehmen, sprechen deutsch und übersetzen für ihre Eltern. Es wird aber auch ohne deutsche Sprachkenntnisse mitmusiziert. Andreas Sichau verdeutlicht, dass Musik verbindet und nonverbales Verstehen ermöglicht (durch Trommeln, Bewegung etc.). Kinder können zu „Dirigenten“ werden und bestimmen z.B. Tempo und Lautstärke der Gruppe. Für das Angebot wählt Andreas Sichau Lieder aus mit möglichst wenig Text oder Silben, die sich leicht singen lassen.
Die Musikschule stellt Instrumente für jede Unterkunft mit Geflüchteten zur Verfügung. Das Angebot findet einmal pro Woche direkt in der Einrichtung statt und Kinder können auch ohne die Eltern teilnehmen, was die Niedrigschwelligkeit unterstreicht. Die Teilnehmenden sind meistens Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren.
Andreas Sichau begleitet aber auch Gruppen mit Jugendlichen in Unterkünften. Als Einstieg spielt er häufig die Lieblingsmusik der Jugendlichen vor und die Jugendlichen spielen dann selbst dazu. Es findet gemeinsames Songwriting und Trommeln statt, um einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Andreas Sichau betont, dass die Konstanz der Gruppe wichtig ist, um Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Dinge ausprobieren zu können.
Zukunftsmusik – Was kommt noch?
Zukünftig möchte Andreas Sichau an einem Stadtteilprojekt mit der Lebenshilfe Braunschweig mitarbeiten. Das Büro der Lebenshilfe dient bereits als Anlauf- bzw. Treffpunkt im Stadtteil. Inhalt des Projektes wird ein offenes inklusives Musikangebot für die Bewohner*innen der Wohngemeinschaften der Lebenshilfe im Stadtteil sein. Das Projekt soll offen und für alle zugänglich sein.
Eine Herzensangelegenheit
Andreas Sichau würde sich wünschen, dass man mehr eine Atmosphäre erreichen könnte, wie das in anderen Kulturen der Fall ist, dass sich alle Menschen mit Musik ausprobieren können.
Musik ist toll, wenn sie von Expert*innen und Profis gemacht wird, aber das Tolle an Community Music ist, dass sie die Musik für alle Menschen öffnen kann. Für Andreas Sichau hat beides seinen Wert, Letzteres sollte eben nur auch möglich sein. Dafür sollte der Zugang ermöglicht werden.
Menschen sollen das Gefühl bekommen, dass sie sich auch einfach ausprobieren können in der Musik. Für Andreas Sichau ist die Erkenntnis wertvoll, dass es nicht heißt, dass man unmusikalisch ist, nur weil man kein Instrument spielen kann. Man braucht ein Instrument nicht perfekt spielen zu können, um gemeinsam Musik zu machen und kreativ zu werden.