Wer bin ich?
Sezgin Inceel, geboren und aufgewachsen in Istanbul in der Türkei, ist Musikpädagoge, Dozent, Singer-Songwriter, Autor, Podcaster und Community Musician.
Er studierte Musikpädagogik, Gesang und Lehramt für Musik in Istanbul und schloss seine Master mit einem Fokus auf Musik und Sprachen ab. 2010 erzielte er ein Stipendium von der EU, welches ihn nach München führte. Dort sammelte er seine ersten formalen Erfahrungen als Musiklehrer, eine Tätigkeit, die ihm viel Freude bereitete. Sezgin Inceel entschied sich in München an der Hochschule für Musik und Theater ein Promotionsstudium mit dem Schwerpunkt Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der Musikpädagogik zu absolvieren. Während seiner Studienzeit lernte er Alicia de Bánffy-Hall kennen und kam somit mit Community Music in Kontakt. Das Konzept faszinierte ihn direkt, und er erkannte viele Elemente wieder, welche er in seiner Praxis als Musiklehrer anwandte. Er hat sich nie als klassischer Musiklehrer gesehen und fand in Community Music einen Begriff, der die Ziele seiner Arbeit zusammenfasst. Besonders mit seinem Sprachschwerpunkt misst er dem Begriff „Community Music“ einen großen Wert bei, da er nicht nur viele verschiedene Aspekte beinhaltet, sondern Menschen in der Community Music hilft, sich und ihre Arbeit zu definieren.
Sezgin übernimmt heute eine zentrale Rolle an der Katholischen Universität Eichstätt – Ingolstadt, wo er den Masterstudiengang Inklusive Musikpädagogik/Community Music leitet und koordiniert. Außerdem unterrichtet er das Fach Interkulturelle Musikpädagogik sowie Gender und Musik. Er strebt danach sich sowohl akademisch als auch in der Praxis immer weiterzuentwickeln.
Was tue ich?
Nachdem Sezgin Inceel sein Promotionsstudium im Jahr 2017 beendete, setze er seine vielfältige Karriere fort. Neben freiberuflichen Projekten mit Kindern und Erwachsenen mit dem Fokus auf Musik und Sprache war er auch als Lehrer an Grundschulen und im Gymnasium tätig. Die Prinzipien der Community Music empfand er bei diesen Tätigkeiten als große Hilfestellung.
Seit 2022 ist er an der Universität tätig. Die Themen, die ihn besonders beschäftigen, sind Mehrsprachigkeit und Pluralismus, auch im politischen Kontext. Er thematisiert, wie unterschiedlich Mehrsprachigkeit wahrgenommen wird – sowohl als erwünscht als auch unerwünscht – und untersucht, wie Community Music dabei helfen kann, diese Hürden abzubauen und ein besseres Verständnis für die Gleichwertigkeit Aller zu schaffen. Sein jüngster Kurs, Gender und Musik, erforscht unter anderem das Konzept “doing gender by doing music”, d.h. er hinterfragt Judith Butlers Konzept der Performativität in Bezug auf Musik und fragt, wie Menschen ihre Stimme, ihren Körper und die Musikinstrumente beim Musizieren erleben.. Außerdem ist Nachhaltigkeit für Sezgin Inceel ein wichtiges Thema. In diesem Rahmen erschuf er ein Projekt mit Studierenden, in dem Gastreferent*innen aus verschiedenen Ländern wie Osterreich, Großbritannien und Deutschland eingeladen werden, um unterschiedliche musikpädagogische Methoden, zum Beispiel „Soundpainting“ zu vermitteln. Mithilfe dieser Methoden werden in Zusammenarbeit mit dem Kinderdorf in Eichstätt Musikworkshops entwickelt, welche Nachhaltigkeit thematisieren sollen.
Neben seiner akademischen Arbeit ist Sezgin Inceel Singer-Songwriter und produziert seine eigene Musik, mit der er Konzerte gibt. Außerdem leitet er Musikworkshops in München und ist der Projektleiter für Community Music in Münchener Kindertageszentren. Des Weiteren spricht er in seinem türkischsprachigen Podcast über das Thema Musik und Gender.
Was ist Ihnen wichtig in Ihrer Arbeit in der Community Music? Was wollen Sie durch Ihre Arbeit bewegen?
In Sezgins Arbeit als Community Musician spielen die Themen Mehrsprachigkeit und Pluralismus eine zentrale Rolle. Deswegen ist er bei seiner Arbeit bemüht, das Verständnis weiterzugeben, dass viele unterschiedliche Sprachen gesprochen werden und Musik eine gemeinsame Sprache darstellen kann. Seiner Meinung nach soll Musik empowern und ein Gefühl der Zugehörigkeit und Selbstakzeptanz geben. Dies erreicht er zum Beispiel durch Improvisation, Storytelling oder Songwriting. Seine Methoden fängt er oft mit Hörverständnis Übungen an, welche das aktive Zuhören fördern sollen und den Menschen die Option gibt, neue Sprachen auszuprobieren oder in ihrer Haussprache zu sprechen. Dabei geht es nicht darum, eine neue Sprache zu lernen, sondern dass die Vielfalt aller Sprachen wertgeschätzt wird. Sezgin Inceel schafft dabei Räume, in denen sich jede Person frei ausdrücken kann, unabhängig davon, welche Sprache(n) sie spricht.
Was steht momentan an?
Sezgin Inceel ist er Teil des Forschungsteams zum Thema Musikentwicklungsplan der Stadt Ingolstadt, dessen Ziel es ist, die Musiklandschaft in Ingolstadt hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen zu analysieren und daraus zukünftige Potentiale sichtbar zu machen. Darüber hinaus ist er künstlerisch-wissenschaftlicher Projektleiter des Projekts “Community Music in Kindertageszentren” der Landeshauptstadt München und Co-Autor eines im Erscheinen begriffenen Buches zum Thema Popkultur in der Türkei aus queer-feministischer Perspektive.
Zukunftsmusik – Was kommt noch?
In der Zukunft möchte Sezgin Inceel weiter Community Music aktiv gestalten und sein Wissen sowie seine Erfahrungen mit anderen teilen. Er schätzt die Möglichkeit, in seiner Praxis zu beobachten, wie unterschiedlich die Menschen auf Community Music reagieren und ihre eigene Interpretation haben. Die Universität ist ein Ort, an dem er sich wohlfühlt, er beschreibt sich selbst als „Uni-Mensch“, der sowohl seine wissenschaftliche, analytische Seite, sowie seine künstlerische, kreative Seite verwirklichen kann.
Außerdem möchte Sezgin Inceel in Zukunft die Themen Gender und Nachhaltigkeit weiter vertiefen und Konzepte oder Methoden entwickeln, die in der Community Music Praxis umsetzbar sind, sowie weiterhin wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichen. Neben seiner akademischen Arbeit legt Sezgin Inceel auch einen Fokus darauf, seine musikalische Leidenschaft auszuleben, nämlich dem Singen, Produzieren und Performen.
Eine Herzensangelegenheit
Sezgin Inceel wünscht sich eine Veränderung in der Wahrnehmung des Musikmachens. Bei seiner Praxis als Community Musician merkt er, dass die erste Reaktion von vielen Menschen ist, dass sie keine Noten lesen oder kein Instrument spielen können, und somit nicht musizieren können. Dies findet er sehr schade, da er überzeugt ist, dass jeder der sprechen kann auch singen kann. Dieses Phänomen fand er auch bei den Untersuchungen für seine Doktorarbeit wieder, wo er feststellte, dass viele Eltern glauben, sie seien nicht musikalisch genug, um mit ihren Kindern Musik zu machen. Sezgin Inceel stellt heraus, dass es diesen Anspruch nicht in anderen Bereichen gibt, und zieht den Vergleich zum Sport: Menschen machen mit ihren Kindern für ihr Wohlbefinden und zum Spaß Sport, ohne dass besondere Vorkenntnisse erforderlich sind. Diese Herangehensweise wünscht er sich auch für die Musik. Professionelle Musiker, Orchester und Chöre sind für die Musikszene wichtig, jedoch sollte es alternative Musikformen geben, die, unabhängig von finanziellen Möglichkeiten oder musikalischer Vorbildung, inklusiv sind. Somit sieht er die Community Music auch als Chance, die Hürde zum Musikmachen abzuschaffen.
Es ist ihm auch ein Anliegen, dass die Kulturpolitik hilft, genügend Angebote zu schaffen, die der Vielfalt aller Menschen gerecht werden, und dass man auch in der akademischen Welt viel mehr Vielfältigkeit sieht.
Photocredit: Stas Mishchenko
Links:
https://sezgininceel.com
https://music4words.com